Gestern fand wie angekündigt die OSI/PuK-Vollversammlung statt. Der Hörsaal A des OEI war gut besetzt, wenn auch nicht überfüllt. Schätzungsweise zwischen 80 und 90 Studierende waren anwesend, wobei es eine sehr starke Fluktuation gab. Diese Zahl ist zwar nicht bahnbrechend, es waren jedoch mehr gekommen, als ich vermutet hatte.
Der „neue SDS“ hatte sich vor dem Eingang groß aufgebaut und bewarb mit Flyern und einer Zeitung massiv seinen „1968 Kongress“ der Anfang Mai in Berlin stattfindet. Eine Vollversammlung für solche „parteilichen“ Werbezwecke zu nutzen hinterlässt immer einen faden Geschmack, ist aber bei VVs nun mal gang und gäbe (irgendwelche Flyer von irgendwelchen Gruppierungen kriegt man immer in die Hand).
Anwesend waren neben den Studierenden auch drei MitarbeiterInnen der PolSoz-Bibliothek, die ausführlich über die drohende Zwangsintegrierung in die UB berichteten. Der Bibliotheksskandal wurde dann auch das zentrale Thema der VV.
Exkurs: Der Bibliotheksskandal
Der so genannte Bibliotheksskandal oder auch Bibliotheksstreit wurde bereits im letzten Semester ausführlich diskutiert.
Im Wesentlichen geht dabei um Pläne des Präsidiums die neue PolSoz-Bibliothek (OSI, Soziologie, Ethnologie, Publizistik) aufzulösen und in die Universitätsbibliothek (UB) zu integrieren, was bedeuten würde, dass der Fachbereich erstens keine eigene Fachbibliothek mehr hätte und zweitens mehrere hunderttausend Bücher ausgesondert werden müssten.
Dieses Vorhaben erfährt Unterstützung durch das Dekanat des FBs, treibende Kräfte sind hier insbesondere Prof. Dr. Barbara Riedmüller (Dekanin) und Detlef „Don“ Brose (Verwaltungsleiter), sowie durch die Leitung der PolSoz-Bibliothek in Person von Sabine Zehrer. Im letzten Semester stellten sich auch Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl, Vizepräsidentin der FU, und Prof. Dr. Ulrich Naumann, leitender Direktor der Universitätsbibliothek, als zentrale Akteure heraus, die diese Fusion aktiv vorantreiben möchten.
Demgegenüber steht ein Großteil der Belegschaft der PolSoz-Bibliothek, die strikt gegen eine Aussonderung von Büchern und gegen eine Integrierung der Fachbibliothek in die UB ist. Ebenfalls ablehnend stehen dem Plan etliche Mitglieder des OSI-Institutsrats (IR) und des Fachbereichsrats (FBR) gegenüber, die von diesem Vorhaben offenbar nicht offiziell bzw. erst sehr spät erfahren haben.
Als zentraler Sprecher der Kritiker stellte sich ferner Dr. Gero Neugebauer heraus (siehe dazu den legendären Schlagabtausch mit Prof. Naumann hier und hier), Mitarbeiter am Otto-Stammer-Zentrum (OSZ), welches unmittelbar von der räumlichen Expansion der UB betroffen wäre (die sich zwangsläufig aus der Bib-Fusion ergeben würde). Und natürlich die Studierenden, die auch kein Interesse daran haben können, so viele Bücher zu verlieren.
Die Entscheidung trifft der FBR, dieser soll sich an die Empfehlung einer extra zu diesem Zweck gegründeten „Bibliothekskommission“ halten, in der nach Intervention durch die Studierenden auch eben jene vertreten sind (je ein Kommilitone / eine Kommilitonin aus der Soziologie, Politikwissenschaft, Ethnologie, Publizistik und ich glaube auch dem OEI).
Zum gegenwärtigen Stand im Bibliotheksskandal
Die anwesenden MitarbeiterInnen der PolSoz-Bib bestätigten noch einmal, dass der Gesamtbestand von zur Zeit etwa 1,1 Millionen Büchern um 500.000 oder 600.000 reduziert werden soll, was dann in der Tat einer Halbierung des Bestands entsprechen würde.
Die anvisierte „Ein-Buch-Politik“ sei fatal, da etwa ein Buch das heute noch je einmal in der UB und in der PolSoz-Bib vorhanden sei, dann eben nur insgesamt einmal zur Verfügung stehen würde. Auch Bücher danach auszusortieren, dass sie schon lange nicht mehr ausgeliehen wurden, sei kein vernünftiges Kriterium, da auch alte Themen ein Comeback erleben können (Beispiel „Contergan“). Insgesamt sein die Kriterien nach denen die Bücher dann aussortiert würden, aber bis heute ohnehin nicht wirklich ganz klar.
Die Kommission habe bisher nur ein einziges Mal getagt, dort sein nur zwei Studierende anwesend gewesen, was die Bib-MitarbeiterInnen bemängelten, da sie sich hier mehr Unterstützung durch die Studierenden wünschten. Das nächste Mal tagt die Kommission am 07.05., also just am Tag der Gesamt-VV. Es wurde den MitarbeiterInnen versichert, dass die Präsenz von Studierenden in dieser Sitzung der Kommission erheblich höher sein wird.
Doch die Auseinandersetzung tobt nicht nur auf der offiziellen Seite, das Dekanat versucht parallel die Kritiker der Bib-Fusion vor vollendete Tatsachen zu stellen. So berichteten die Bib-MitarbeiterInnen z.B., dass der Verwaltungsleiter Detlef Brose einfach die Schlösser eines Kellerraums austauschen ließ, als die PolSoz-Bibliothek dort aus Kapazitätsmangel bzw. Restrukturierung des Magazins Bücher zwischengelagert hatte. Anschließend konnte dann keinE Bib-MitarbeiterIn mehr an die Bücher heran.
Das Vorhaben extra MitarbeiterInnen für den Prozess des Aussortierens einzustellen scheiterte vorerst am Personalrat, der die entsprechenden Stellenausschreibungen cancelte. Ohne dieses Personal haben die Befürworter der Fusion allerdings schlicht weg keine Möglichkeit, das Aussondern der Bücher zu starten. Dennoch sein bereits Bücher weggeschafft worden, dies sein aber nicht viele gewesen.
Ingesamt fühlen sich die MitarbeiterInnen der PolSoz-Bibliothek durch Herrn Brose und andere Befürworter durch die „Räume gedrängt“. Mit allen Mitteln werde versucht, die Fusion durchzusetzen und Räume in der Ihne21 freizuschaffen. Das Endziel, da waren sich die anwesenden Bib-MitarbeiterInnen sicher, sei es eine Ihne21 ohne jegliche Bibliothek zu schaffen.
Nicht ganz klar wurde die Rolle des Sonderforschungsbereich (SFB) Governance und Prof. Dr. Thomas Risse als dessen „Ziehvater“. Angeblich hat der Versuch auf biegen und brechen Räume in der Ihne21 freizustellen (und die Bibliothek plattzumachen) auch etwas mit dem SFB zu tun, da dieser noch Räumlichkeiten benötigt.
Insgesamt würden Herr Brose und andere Befürworter der Fusion nicht die Notwendigkeit einer FB-Bibliothek für den Lehr- und Forschungsbetrieb erkennen, sondern sie nur als unnötigen Kostenfaktor sehen.
Was tun im Bibliotheksskandal?
Diskutiert wurde dann auf der VV natürlich auch, was man tun könnte, um die Integrierung der PolSoz-Bib in die UB zu verhindern. Konsens war zunächst natürlich, dass die Studierenden mehr Präsenz in den Gremien, besonders aber natürlich in der Bibliothekskommission zeigen müssten. Dabei sollte man nicht nur passiv anwesend sein, sondern auch mit Nachdruck versuchen die eigenen Positionen deutlich zu machen.
Es wurde weiter vorgeschlagen, alle alten und ewig nicht mehr ausgeliehenen Bücher auszuleihen, um das Argument vom Tisch zu kriegen, diese würden nicht mehr gebraucht und sein veraltet.
Ein weitergehender Vorschlag war dann, grundsätzlich alle ausgeliehenen Bücher nicht mehr wiederzugeben und einfach einzubehalten, denn dann könnte erst einmal nichts aussortiert werden. Problem war hier, dass die Bib-MitarbeiterInnen die automatisierten Mahnverfahren nicht unterbinden können, die rebellierenden Studierenden also in jedem Fall mit Mahnverfahren zu rechnen hätten, wenn sie die Bücher einfach einbehalten.
Da die Bib-MitarbeiterInnen die Bibliothek aus arbeitsrechtlichen Gründen angeblich nicht selbst bestreiken bzw. besetzen können, sollten dies vielleicht die Studierenden im Form eines Warnstreiks tun, war ein weiterer Vorschlag aus dem Plenum. Durch eine vorübergehende Schließung der Bibliothek könnte man vielleicht noch stärker auf das Problem aufmerksam machen.
Wichtig sei auch noch mehr Studierende auf den Bibliotheksskandal aufmerksam zu machen, Unterschriftenlisten rumgehen zu belassen, um zu untermauern, dass nicht nur die anwesenden 80 oder 90 Studis ein Problem mit der Bücher- und Bibliotheksaussonderung haben.
Auch die Medien sollen verstärkt auf den Missstand aufmerksam gemacht werden (obgleich diese schon im letzten Semester teilweise ausführlich über den Skandal berichtet haben, was keinem der Anwesenden präsent zu sein schien; soll heißen, sie werden nicht berichten, wenn es nichts wirklich essentiell neues in der Sache gibt).
Anwesenheitslisten
Auch wenn der Bibliotheksskandal klar das dominierende Thema war, wurden auch einige andere Probleme angesprochen, darunter auch das Problem mit den Anwesenheitslisten. Kontrovers diskutiert wurde hier, ob die Dozierenden nun wirklich verpflichtet sein, diese Listen zu führen oder ob ihnen dies freigestellt ist und sie selbst entscheiden könnten, wie sie die regelmäßige Anwesenheit feststellen. Unklar war, an welcher Stelle das genau festgelegt wird, es wurden mehrere Quellen genannt.
Während die einen das Problem in den Dozierenden sahen, die Listen führten, obwohl sie das keineswegs zwangsläufig müssten, argumentierten die anderen, das eigentlich Problem sein die Studienordnungen, die festlegten, dass die Anwesenheit – wie auch immer – zu kontrollieren sei bzw. bestimmte Fehlzeiten nicht zu überschreiten sein.
Lesenswert ist zum Thema sicherlich der „kleine Leitfaden für Anwesenheitslisten“, den die FSI OSI unlängst veröffentlichte.
Ökonomie am OSI
Kurz angesprochen wurde auch das Problem „Ökonomie“ am OSI, also dass der Bereich Politische Ökonomie so von Prof. Bolle dominiert wird, dass das was Prof. Lütz macht auch nicht viel besser sei (siehe auch: „Susanne Lütz am OSI“), es somit keine brauchbaren Alternativen in dem Bereich gäbe.
Hier wurde vorgeschlagen, dass man verstärkt versuchen sollte, studentische LVs anzubieten, die dann auch ins Vorlesungsverzeichnis aufgenommen werden sollten, also eine offizielle Alternative darstellen könnten. Dass das mitunter äußerst schwierig ist und die Verantwortlichen solchen selbstverwalteten Seminaren sehr skeptisch gegenüber stehen, wurde leider nicht weiter thematisiert.
Campus Management
In einem einzelnen Wortbeitrag wurde kurz angemerkt, dass man auch das Campus Management hinterfragen und kritisieren müsste. Das wurde jedoch nicht weiter spezifiziert.
Das Präsidium dehnt seinen Einfluss aus
In einem längeren Beitrag führte der Kommilitone Fabian aus, wie das Präsidium versucht seine Kompetenzen systematisch auszubauen und auch auf Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen, die eigentlich nicht in seine Zuständigkeit fallen.
Am Beispiel des Bibliotheksskandal könne man gut erkennen, wie das Präsidium hinter dem Rücken der eigentlich zuständigen Gremien versucht hätte, seine Vorstellungen durchzusetzen. Es habe keine offiziellen Infos über die geplante Bücheraussonderung gegeben, dies sei erst aufgeflogen, als MitarbeiterInnen der PolSoz-Bib es nach Außen getragen hätten.
Ein weiteres Beispiel sein die so genannten Zielvereinbarungen, die zwischen den Fachbereichen und dem Präsidium getroffen werden und die die fachliche Ausrichtung der FBs festsetzen (welche Mittel für was). Auch hier sei erkennbar, dass das Präsidium zunehmend versuche die FBs in seinem Sinne zu steuern, die Fachbereiche also stark an Autonomie einbüßen würden und dezentrale Strukturen durch einen immer stärker werdenden Zentralismus ersetzt würden.
Fabian betonte die Notwendigkeit der Studierenden in die Gremien zu gehen, um diese Prozesse viel stärker als bisher zu dokumentieren und sich dann ggf. eben auch offensiv einzubringen.
Kritik an Dozierenden in FBR und IR
Kritisiert wurde der Umstand, dass Dozierende im Fachbereichsrat oder den Institutsräten zwar öfter auch gegen einige Initiativen des Präsidiums sein, ihre Position dann jedoch nicht nachdrücklich genug durchzusetzen versuchten, sozusagen immer nur „Widerstand mit halber Kraft“ leisten würden. Zu wünschen wäre, dass die Dozierenden hier in Zukunft energischer einschreiten würden.
Kritisiert wurde der IR des OSI aber z.B. auch dafür, dass er das ihm zur Verfügung stehende „Kontingent“ an Lehraufträgen angeblich nicht einmal ausschöpfen würde. Man also theoretisch durchaus mehr Lehraufträge erteilen könnte.
PuK Master
Das einzige angesprochene reine „PuK-Thema“ betraf den neuen Master der in einer Rekordzeit von 4 bis 6 Wochen aus dem Boden gestampft wurde – nachdem das Präsidium Druck gemacht hatte, die Publizistik möge doch endlich einen MA anbieten.
Obwohl auch Studierende an dem Ausarbeitungsprozess beteiligt waren, wurden ihre Positionen wenig bis gar nicht berücksichtigt. Bemängelt wurde auf der VV insbesondere, dass der neue Studiengang kaum Wahlmöglichkeiten biete.
Abschluss
Auch wenn betont wurde, dass eine solche dezentrale VV im Gegensatz zu einer Gesamt-VV keine „offizielle“ Veranstaltung ist, war es doch Konsens, dass es eine Pressemitteilung und ein Ergebnis im Namen einer „OSI/PuK-VV“ geben sollte. Zu einer Abstimmung über Beschlüsse oder Forderungen kam es indes nicht.
In der kommenden Woche soll es erneut eine dezentrale OSI/PuK-VV geben, auf der dann – so die Hoffnung – noch mehr Personen da sind, und man unter Umständen auch Forderungen / Beschlüsse zur Abstimmungen stellen will.
Fazit
Wozu genau es nächste Woche eine weitere OSI/PuK-VV geben soll, ist mir persönlich nicht ganz klar geworden. Die eigentliche jetzt noch anstehende Arbeit eignet sich eher für AGs. Eine Beschlussfassung hätte man auch bereits gestern bei einem stringenteren Ablauf gewährleisten können (es gibt offenbar auch schon so etwas wie ein Papier, das deshalb als angenommen gilt, weil es keinen Widerspruch zu ihm gab (???)). Statt mehr Studierende werden meiner Einschätzung nach nächste Woche eher weniger kommen, aber gut, wir werden sehen.
Denkbar wäre aber natürlich, dass dann nächste Woche auch andere Themen genauer diskutiert werden, denn gestern drehte sich bis auf wenige Ausnahmen alles um Anwesenheitslisten und den Bibliotheksskandal. Ohne Frage ist besonders letzter Punkt ein gravierender, dennoch gibt es sicherlich auch noch weitere Probleme, die man zum Gegenstand des Protestsemesters machen sollte.
Es kann natürlich auch sein, dass bestimmte „globale“ Probleme wie etwa die Auswirkungen der misslungenen Bologna Reform dann eher auf der Gesamt-VV thematisiert werden.
Ansonsten hat diese VV was die Informationen und die mögliche Lösungsansätze angeht ehrlich gesagt auch nicht so viel neues gebracht. Der „Frontverlauf“ im Bibliotheksskandal war bereits vorher sattsam bekannt, hinzugekommen sind nur ein paar häßliche Details (Schlösser werden ausgewechselt, etc.). Auch die Ideen für Gegenstrategien brachten nichts generell neues.