Vollversammlung erklärt nächstes Semester zum Protestsemester

Der Hörsaal 1a war gut gefüllt auf der gestrigen Vollversammlung (VV), insgesamt wollen KommilitonInnen zwischen 300 und 400 Personen ausgemacht haben. Ob die Zahl stimmt sei dahingestellt, voll war es auf jeden Fall und das Feedback sehr stark.

Nachdem es am Vormittag schon zahlreiche Aktionen gegeben hatte, wie etwa „Elitekicken“ mit überdimensionierten Fußbällen, startete die Vollversammlung um 14:15 mit dem Einzug des Dieter Lenzen Fanclubs (DLFC). Es gab eine kleine Theateraufführung bei der der DLFC – unter Buhrufen aus dem Auditorium – Lenzen pries und vermeintliche Störer abtransportieren ließ, die dann auch mal mit ein paar Wurfgeschossen zurückschlugen.

Dann wurde es ernster, in einigen einleitenden Worten fasste die VV-Leitung noch einmal zusammen, worum es bei diesem Protest geht. Bibliotheksskandal, die Unstudierbarkeit der BA-Studiengänge, die negativen Auswirkungen der Exzellenzinitiative, die Scharenberg-Affäre, etc.

Der weitere Verlauf der VV war dann sehr offen gehalten, es ging zunächst einfach nur darum, jedem Anwesenden der das Bedürfnis verspürte die Plattform zu bieten, darzulegen unter welchen Problemen er bzw. sein Institut / Fachbereich zur Zeit zu leiden hat. Dabei kamen dann auch Probleme von kleineren Fächern wie der Religionswissenschaft und der Indologie zur Sprache, die bisher beim Protest oft vernachlässigt worden waren.

Während Institute und Fächer mit noch verhältnismäßig vielen Dozierenden und Studierenden zumindest noch eine Chance haben, sich gegen die Kürzungen des Präsidiums zu wehren, werden kleinere Fächer und Institute noch rücksichtsloser an die Wand gedrückt, weil man hier von noch weniger Widerstand ausgeht.

Es kamen dann zentrale Probleme zur Sprache, wie etwa der unhaltbare hohe Workload beim BA oder die viel zu starke Selektion bei der MA-Zulassung, die dazu führen würde, dass der Leistungsdruck beim BA extrem hoch sei. Ferner natürlich der Bibliotheksskandal, bei dem es nicht nur um die Bücher geht, die jetzt ausgesondert werden sollen, sondern auch darum, dass es zukünftig in der neuen Bib nicht genügend Platz für Neuanschaffungen gibt ohne immer wieder erneut alte Bücher auszusondern. Überspitzt: Für jedes neue Buch was vorne ankommt, fliegt hinten ein altes raus.

Anschließend gab es dann sehr detaillierte, teilweise bizarre Diskussionen. Zum Beispiel zur Frage, wie nun die Videoüberwachung des Foyers der OSI-Bib zu werten ist (siehe „OSI-Bibliothek nun videoüberwacht“). Während die Mehrheit der Anwesenden diese Videoüberwachung unmöglich fand, bekannte sich ein Kommilitone dem seine Brieftasche aus einem Spind geklaut worden war dazu, dass die Videoüberwachung auf seinen Protest hin eingeführt worden sei, weil er sich beschwert hatte, man müsse doch da mehr aufpassen (ohne allerdings konkret Kameras zu fordern).

Vom Auditorium erntete er überwiegend Hohn in Form von Ohhh-Rufen, so nach dem Motto, er solle sich halt nicht so anstellen, wenn seine Brieftasche geklaut würde. Es stellt sich an solchen Punkten natürlich immer die Frage, wie die Spötter wohl selbst reagieren würden, wenn es ihr Portemonnaie oder ihr Laptop gewesen wäre, den ihnen jemand aus dem Spind geklaut hätte. Der Diebstahl war bekanntlich kein Einzelfall und sinnvolle Alternativen zur Videoüberwachung hatte auch niemand vorzubringen.

In einer weiteren wüsten Diskussion ging es gegen das SAP Campus Management, wobei es den Beteiligten schwer fiel, ihre Bedenken zu konkretisieren. Am Ende wurde dann das Campus Management mit dem Blackboard gleichgesetzt, eine Kritik die eigentlich das Blackboard betraf wurde im Kontext einer Kritik des Campus Managements diskutiert.

Während eine Kommilitonin darauf beharrte, Course-LeiterInnen könnten im Blackboard nach wie vor sehen, welcher Studierende was angeklickt hat, meinte eine andere, Dozierenden würde diese Funktion definitiv nicht mehr zur Verfügung stehen (tatsächlich hängt es vermutlich vom Institut / FB ab, inwiefern Dozierende diese Funktion nutzen können oder nicht, siehe „Statistik-Modul in Blackboard deaktiviert“).

Es kamen dann natürlich ein paar Redebeiträge, die einfach auf jeder echten VV kommen müssen. Zum Beispiel der Aufruf, dass wir als Studierende uns nicht nur auf uns selbst konzentrieren dürften, sondern uns auch mit anderen protestierenden Gruppen, wie etwa den Bochumer Nokia-Angstellten, SchülerInnen oder Hartz4-EmpfängerInnen, solidarisieren sollten, damit diese sich dann umgekehrt auch mit uns solidarisieren. Dass die Massen auf Anti-Hartz4-Demonstrationen 2005 gerne „Wir sind das Volk“ grölten (was auf 1989 anspielen sollte, aber eben auch klar zwischen Deutschen und Nichtdeutschen differenzierte), dass es bei den Anti-Nokia-Protesten darum geht, den deutschen Standort vor einem Ausverkauf nach Rumänien zu bewahren, usw., stieß hier offenbar keinem bitter auf (nun ja, fast keinem).

Zu den weniger realistischen und zielführenden Forderungen zählte natürlich auch die, dass grundsätzlich jeder an der Hochschule lernen, lehren und partizipieren können sollte, was einen völlig offenen Zugang zur Hochschule ohne jegliche Hürde wie Abi oder ähnliches voraussetzt. Solchen Forderungen fehlt natürlich etwas das Auge für das konkret und unmittelbar Umsetzbare, sie sind aber nötig damit das Auditorium sich in eine Protesteuphorie hinein steigern kann (der natürlich insbesondere junge KommilitonInnen sofort verfallen, da sie noch nicht die Katerstimmung kennen, wenn der Protest mal wieder schneller als erwartet zum Erliegen kommt).

Dennoch gab es aber natürlich auch Pragmatiker unter den RednerInnen, die auf eine Konkretisierung drängten. In diesem Kontext wurde auch festgestellt, dass es neben den 1.000 Studierenden die jetzt bereits heiß auf den Protest sein, auch noch 29.000 andere gäbe (wohl eher 33.000 aber egal), die man erst noch erreichen müsse. Und wie das zu schaffen sei, dazu müsse man jetzt erst einmal konkret Strategien entwickeln. Andere meinten dagegen, man müsse schon hier und jetzt etwas mit den 1.000 anfangen, es sei immerhin schon ein Erfolg, dass man diese 1.000 hätte mobilisieren können.

Ein Kommiltone stellte die These auf, dass es nicht mehr als 1.000 Studierende sein, da die anderen sich nicht trauten für die VV (oder den Protest) ihre Seminare zu verlassen, da dort bekanntlich Anwesenheitslisten geführt würden. Es kam dann zu einer Diskussion, wie das nun sei, ob eine VV wirklich als Entschuldigung für das Fernbleiben in einer Lehrveranstaltung gilt oder nicht. Einige meinten ja, andere sagten dies sei Sache des Dozierenden. Oder aber: Die VV gilt zwar als Entschuldigungsgrund, selbst das entschuldigte Fehlen sei aber nun mal ein Fehlen und hier dürfe eben im Semester eine bestimmte Anzahl von Fehlzeiten in einer LV nicht überschritten werden.

Es war nicht das erste und letzte Mal, dass auf dieser VV etwas Konfusion über das offizielle „Reglement“ in einem bestimmten Sachverhalt herrschte (was als Indiz dafür gewertet werden kann, dass es der Veranstaltung etwas an der Präsenz von erfahrenen Studierenden mangelte).

Jedenfalls erscheint mir die These recht gewagt, dass es nur deshalb nicht mehr als 1.000 Protestwillige auf der VV gab, weil die anderen sich wegen der Anwesenheitspflicht in ihren regulären Lehrveranstaltungen nicht trauten, auf die VV zu kommen. Denn selbst in Zeiten, in denen es diese verschärfte Anwesenheitspflicht noch nicht gab, erschienen doch auf den VVs nie mehr als die viel zitierten „üblichen Verdächtigen“. Man kann in Hochzeiten des Protests mehr als 1.000 für Protestaktionen mobilisieren, doch der Zeitkorridor dafür ist sehr begrenzt. Ob mit oder ohne Anwesenheitspflicht, die Masse der FU-Studis interessiert sich schlicht weg nicht für einen Protest, jedenfalls nicht für einen, der über symbolische Aktionen und einen begrenzten zeitlichen Rahmen hinausgeht.

Treffender halte ich die ebenfalls vorgebrachte These, dass das „Reservoir“ an Protestwilligen dadurch beschränkt wird, dass zunehmend nur noch Leute an die Unis kommen, die den Leistungsgedanken schon während ihres Abis verinnerlicht haben und nicht mehr in Abrede stellen. Diese erklären sich dann nicht mit KommilitonInnen solidarisch, die Anwesenheitslisten verschwinden lassen, sie sind auch nicht empfänglich für Ideen des zivilen Ungehorsams und sie sind nur sehr eingeschränkt für einen größeren und etwas länger andauernden Protest zu gewinnen.

Solange es nicht wirklich einen großen Knall gibt (wie etwa eine unmittelbar bevorstehende Einführung von Studiengebühren) wird es schwer, um nicht zu sagen unmöglich werden, an der FU einen echten Massenprotest loszutreten, der maßgeblich über die genannten aktiven 1.000 hinauskommt. Von daher wäre es schon der bessere Ansatz zu überlegen, was können diese 1.000 konkret machen, anstatt darauf hinzuarbeiten, dass sich die restlichen 33.000 irgendwann anschließen. Denn letzteres wäre – man muss es leider so krass sagen – Zeitverschwendung.

Es wurden dann, soweit ich das überblicke, drei Beschlüsse gefasst:

  1. Auf der heutigen VV wird keine Resolution zur Abstimmung gestellt, dies soll dann erst auf einer kommenden VV im kommenden Semester passieren.
  2. Das kommende Semester wird zum Protestsemester erklärt. Wie genau dieser Protest aussieht, ob er einen Streik beinhaltet, wird auf kommenden VVs beschlossen.
  3. Die kommende VV im nächsten Semester wird eine „normale VV“, keine Streik-VV.

Es ging hier also darum, ob die VV schon jetzt eine Resolution mit Forderungen diskutieren und zur Abstimmung stellen soll, oder ob dies nicht erst im nächsten Semester passieren soll, wenn hoffentlich noch mehr Studis auf der VV anwesend sein werden. Es wurde sich dann für letztere Variante entschieden.

Durchgesetzt hat sich der Ansatz, dass das nächste Semester ein Protestsemester wird, ohne näher zu spezifizieren, was genau das heißt. Die vorgebrachte Alternative, gleich die ersten beiden Woche des nächsten Semesters mit einem Ausstand zu beginnen, wurde als zu überhastet und zu polarisierend abgelehnt. Wenn es zu einem Streik kommen sollte, dann soll dieser erst im nächsten Semester beschlossen werden.

Fazit

Positiv war an der VV sicherlich, dass hier die vielen Probleme benannt wurden und dadurch jedem klar werden musste (sofern es ihm noch nicht klar war), dass es so nicht weitergehen kann, Protest also notwendig ist. Eher negativ zu bewerten ist der Umstand, dass es nur sehr wenige Lösungsvorschläge gab, wie man diesen Problemen konkret begegnen soll, wie der Protest sich ausgestalten soll. Allerdings war das – soweit ich es verstanden habe – auch nicht der Anspruch dieser VV.

Allein die Tatsache, dass man den Hörsaal voll gekriegt hat, die Studierenden sich über ihre Probleme ausgetauscht haben und ihre Bereitschaft zum wie auch immer gearteten Protest artikuliert haben, wird als Erfolg gewertet. Okay, das kann man sicherlich so stehen lassen.

Es dürfte aber spannend werden, ob sich diese erzeugte Protesteuphorie tatsächlich über die Semesterferien hinweg halten kann. Denn das wäre dann wirklich ein Novum: Eine Proteststimmung, die über die Ferien nicht abkühlt, sondern im nächsten Semester nahtlos am Aktionstag anknüpfen kann. Falls das tatsächlich gelänge, wäre es schon ein ziemlich beeindruckender Stunt. Eine andere Frage wäre dann, ob der Protest tatsächlich etwas bewirken kann.

14 Antworten to “Vollversammlung erklärt nächstes Semester zum Protestsemester”

  1. Ronny Says:

    Kurz: Herzlichen Dank für einen guten Bericht, Niklas!

    Lang: Auch wenn ich nicht dabei sein konnte, ist deine Beschreibung, auch in der Bewertung, vollkommen nachvollziehbar (insbesondere für jemanden, der auch schon einige „VVs“ hinter sich hat :-) ) und vermutlich, soweit ich das mitverfolgen kann, ebenso realistisch.

  2. Aktionstag gut angenommen - Nächstes Semester mehr?! | Fachschaftsini Geschichte FU Says:

    […] an den verschiedenen dezentralen Aktionen beteiligt haben, und bei der Vollversammlung waren laut Bericht von FU-Watch noch einmal ca. 400 Leute […]

  3. Gerrit Says:

    ich habe mir jetzt auch den FSI OSI Beitrag dazu durchgelesen… fandest du denn die Kapitalismuskritik bei der VV auch „latent völkisch“?

  4. anticapitalista Says:

    >Dass die Massen auf Anti-Hartz4-Demonstrationen 2005 gerne “Wir sind das Volk” grölten (was auf 1989 anspielen sollte, aber eben auch klar zwischen Deutschen und Nichtdeutschen differenzierte),

    wieso differenziert “Wir sind das Volk” denn „zwischen Deutschen und Nichtdeutschen“ ?! Die „Nichtdeutschen“ sind natürlich genauso wie die „Deutschen“ teil des volkes, dass sie auf diese weise von kapital und regierung abgrenzte.

    die theorie, das alles sei irgendwie „völkisch“, ist eine erfindung gewisser pseudolinker sektierer (bahamas etc.), die meist schon seit langem ihren frieden mir dem großkapital gemacht haben und teilweise auch von diesem finanziert werden und deshalb jetzt einen vorwand benötigen, um sich mit öffentlich entsolidarisieren zu können.

  5. Niklas Says:

    || wieso differenziert „Wir sind das
    || Volk“ denn „zwischen Deutschen und
    || Nichtdeutschen“ ?! Die „Nichtdeut-
    || schen“ sind natürlich genauso wie
    || die „Deutschen“ teil des volkes,
    || dass sie auf diese weise von kapital
    || und regierung abgrenzte.

    Nun, für Dich zählen Deutsche wie Nichtdeutsche vielleicht als „Volk“, aber bist Du Dir wirklich sicher, dass das auch die Definition von „Volk“ ist, die die Protestierenden im Hinterkopf haben, wenn sie mit so einem Schild auf einer Demo auftauchen?

    Oder vielleicht einfacher: Wenn Du Menschen auf der Straße fragst, was sie unter „Volk“ verstehen, glaubst Du sie werden Deine Definition teilen, dernach auch Nichtdeutsche zum „Volk“ zählen? Denn die meisten denken doch sicherlich an das „deutsche Volk“ (so wie es auch am Reichstag steht) was eine Abgrenzung gegenüber Nichtdeutschen impliziert.

    Gilt der Slogan „Wir sind das Volk“ also wirklich nur als Abgrenzung gegenüber Kapital und Regierung und nicht auch gegenüber Nichtdeutschen, die von den Protestierenden dann unter Umständen auch als Konkurrenten im Kampf um (vermeintlich) begrenzte Ressourcen gesehen werden?

    Bist Du Dir wirklich so sicher, was die emanzipatorische, antikapitalistische Stoßrichtung dieser Protestierenden angeht?

  6. Wolle mer reinlasse? - Philologische Bibliothek macht dicht. « die fachschaftsinitiativen Says:

    […] in Februar 2, 2008 von fachschaftsinitiativen Während die Studierenden noch auf Aktionstagen über Streiks reden und diskutieren, geht das Unternehmen FU bereits in die Offensive und beginnt […]

  7. Tutnichts Zursache Says:

    Also solche schwachsinnigen Debatten wie diese, ob denn der Satz „Wir sind das Volk“ latent ausländerfeindlich sei, oder wegen mir auch „unsolidarisch“ und „ausgrenzend“, sorgen dafür, dass sich die Anwesenheitsquote von BWLlern und Naturwissenschaftlern auf den VVs auch in Zukunft nicht erhöhen wird. Die schütteln dann nämlich nur kurz mit dem Kopf, und zwar zu recht.

  8. Gerrit Says:

    ob die Debatten schwachsinnig sind, sei dahingestellt, immerhin studieren zumindest die PoWis PoWi, um sich später für den Rest den Kopf darüber zu zerbrechen.
    Aber das stimmt schon: Der ewig saure Beissreflex gegen alle nicht zweihunderprozentig eine „emanzipatorische, antikapitalistische Stoßrichtung“ haben – und zwar von vornherein – wird der Sache hinter der VV nicht unbedingt Auftrieb verleihen. Aber wir können es uns ja leisten, zu klüngeln. Das hat sich in den vergangenen Dekaden als unglaublich effektiv erwiesen.

  9. Niklas Says:

    || Der ewig saure Beissreflex gegen
    || alle nicht zweihunderprozentig eine
    || „emanzipatorische, antikapitalis-
    || tische Stoßrichtung“ haben – und
    || zwar von vornherein – wird der Sache
    || hinter der VV nicht unbedingt Auftrieb
    || verleihen. Aber wir können es uns
    || ja leisten, zu klüngeln. Das hat sich
    || in den vergangenen Dekaden als unglaub-
    || lich effektiv erwiesen.

    Das „antikapitalistisch“ ergab sich einfach aus anticapitalistas Kommentar. Denn die Aussage in diesem Kommentar war, dass sich der Slogan „Wir sind das Volk“ nur gegen das Kapital und Regierung richtet, ergo antikapitalistisch konnotiert ist. Ich bin da nicht ganz so optimisch und gab zu bedenken, dass „Volk“ sich hier im Zweifelsfall auch gegen Nichtdeutsche richten kann (siehe oben). Folglich meine Frage, ob er sich denn wirklich so sicher ist, was die vermeintlich rein antikapitalistische Ausrichtung einer Prostbewegung angeht, die sich diesen Slogan auf die Fahnen geschrieben hat.

    Und was die Spaltungsproblematik hier bei uns angeht: Am Ende bleibt – so oder so – ohnehin nur der harte Kern der protestwilligen KommilitonInnen und der bricht an solchen Diskussionen nicht auseinander. Künstlich eine Harmonie aufrecht erhalten zu wollen, wo gar keine besteht, bringt dagegen nicht viel.

    Zum Solidaritätsaufruf (um den es hier ja eigentlich ging): Tatsächlich ist die Idee ja nicht neu, Gewerkschaftler, SchülerInnen, Arbeitslose, Studierende, etc. in einer großen linken Protestbewegung zu vereinen – verwirklicht werden konnte das aber nie (zumindest nicht in Deutschland).

    Eben gerade weil sich etwa ein deutscher Gewerkschafter dann doch nur um die Interessen seiner Klientel, der deutschen Arbeiterschaft, kümmert, und sich nicht dem Arbeiter aus Rumänien, dem Studierenden oder dem Arbeitslosen verpflichtet fühlt. Und hier wäre meine Frage, wollen wir wirklich Zeit darin investieren, mit gutem Beispiel voranzugehen und zu versuchen ein „Großbündnis“ aufzubauen, was dann doch wieder nicht über ein wenig theatralische Rhetorik hinaus trägt (wie wir in der Vergangenheit immer wieder ernüchternd erkennen mussten)? Und wenn ja, zu welchem Preis? Die Motivation der neuen Bündnispartner nicht mehr kritisch hinterfragen zu dürfen?

  10. Wladek Flakin Says:

    In den “kritischen” Berichten zum Aktionstag wird die von der VV beschlossene Solidarisierung mit den Beschäftigten des Nokia-Werks in Bochum deswegen kritisiert, weil viele dieser ArbeiterInnen (und vor allem ihre VertreterInnen in Betriebsrat und Gewerkschaft) sich auf Standordlogik und Nationalismus einlassen. Das ist sicherlich zu kritisieren, aber sollen wir deswegen unsolidarisch sein?

    1) Was wird eigentlich von den Nokia-Beschäftigten gefordert? Sollen sie die Verlust ihrer Arbeitsplätze bejubeln? (”Ein Schlag gegen das Lohnarbeitssystem! Hurra!”) Oder aus internationalistischer Überzeugung nach Rümänien ziehen und dort weiter bei Nokia arbeiten? Oder einfach an die FU kommen, wo es kein reaktionäres Bewusstsein irgendeiner Art gibt? Oder was?

    2) Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass FU-Studierende von Standortpatriotimus ganz frei sind. Schon diese blöden Pullover mit FU-Logo… Also warum machen wir einen völkischen Aufruf gegen die Schliessung von Bibliotheken an der Uni, werden diese Bibliotheken doch mehrheitlich vom rassistisch-völkischen Durchschnittsspiesserstudenten benutzt? Wo bleibt die Kritik?

    http://de.indymedia.org/2008/02/206959.shtml

  11. Niklas Says:

    || Das ist sicherlich zu kritisieren,
    || aber sollen wir deswegen unsoli-
    || darisch sein?

    Das Faß was hier in der Diskussion aufgemacht wurde, will aber doch nicht mal mehr Kritik zulassen, das ist das Problem. So nach dem Motto „Wenn ihr das kritisiert, dann spaltet ihr damit die Einheit unserer neuen Protestbewegung in eine Pro- und eine Kontra-Nokia-Beschäftigten-Gruppe“.

    Was ich für etwas überdramatisiert halte, wenn eine Gruppe sich für eine Solidarität mit den Nokia-Beschäftigen ausspricht und eine andere dagegen, geht doch deswegen nicht gleich eine universitäre Protestbewegung als solche vor die Hunde (und geht sie doch zu grunde, dann aus anderen, schwerwiegenderen Gründen).

    || Was wird eigentlich von den Nokia-
    || Beschäftigten gefordert?

    Dass sie diese Denke im Sinne von „deutsche Arbeitsplätze für uns Deutsche“ überwinden. Es solidarisiert sich eben nicht die internationalen Arbeiterschaft gegen das Kapital, sondern Gewerkschaften und Beschäftige aus Land A grenzen sich von Gewerkschaften und Beschäftigen aus Land B ab.

    Beschäftige in Deutschland sind empört wenn Nokia Arbeitsplätze nach Rumänien verlagert, sie wären aber umgekehrt sicherlich keineswegs empört, wenn Nokia Arbeitsplätze von Finnland nach Deutschland verlagern würde, das würde man dann bejubeln. Dass die Kollegen aus Finnland dann ihre Arbeitsplätze verlieren würden, wäre egal.

    Statt sich gegeneinander ausspielen zu lassen, könnten Beschäftige und Gewerkschaften in Rumänien, Deutschland und Finnland auch mal darüber nachdenken, wie sie grenzübergreifend ihren Widerstand organisieren. Dies würde freilich voraussetzen, dass die Beschäftigen und Gewerkschaften es schaffen, nicht mehr in diesen engen, rein nationalstaatlichen Dimensionen zu denken.

    Es fällt mir persönlich einfach schwer, mich mit einem Personenkreis solidarisch zu erklären, dessen eigenes Verständnis von Solidarität sich in Wahrheit auf ein nationalstaatliches Wir-zuerst-Gefühl reduziert.

    || Ich hatte bisher nicht den Eindruck,
    || dass FU-Studierende von Standort-
    || patriotimus ganz frei sind.

    Bedauerlichweise nicht, nein. Und dies wurde in vorhergehenden Protestbewegungen auch immer wieder kritisiert. Die typische nationale Standort-Argumentation im Fall der Bibliothek würde lauten: „Wir dürfen die Bücher nicht aussondern, weil dies den Standort der FU in Deutschland und damit letztlich auch den Forschungsstandort Deutschland im internationalen Vergleich schwächen würde“. Dies war aber zum Glück bisher nicht die dominante Argumentation.

    Denn stattdessen kann man z.B. auch sagen, „Die Studierendenschaft der FU (des FB PolSoz) benötigt für ihre progressive Weiterentwicklung einen entsprechend großen Fundus an verfügbarer Literatur. Nur so kann sie systematisch kritische Gesellschaftsanalyse betreiben und sich dann auch selbst entwachsen (sic!)“.

  12. Treffen zur Nachbereitung des Aktionstages und Vorbereitung des Protestsemesters « FUwatch Says:

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