Zum Wintersemester 05/06 wird im Zuge des Bologna-Prozesses an der FU Berlin die SAP Campus Management Software eingeführt. Bis zum Wintersemester 07/08 sollen alle Magister- und Diplomstudiengänge an der FU durch Bachelor- und Masterstudiengänge abgelöst werden. Dieser Prozess ist natürlich längst im Gang und erfodert nach Meinung der Verantwortlichen eine umfassende Reorganisation aller Abläufe rund ums Studium.
Erreicht werden soll dies unter anderem auch mit einer neuen Softwarelösung, die hilft diese Abläufe zentral zu administrieren. Bisherige Softwarelösung waren an der FU dezentral angelegt, es gab kein alles umfassendes System. Erste Ansätze das in einigen Bereichen bereits eingesetze HISPOS/HISSOS der HIS GmbH entsprechend auszubauen wurden als nicht realisierbar verworfen. Angeblich, weil HISPOS und HISSOS nicht die Möglichkeiten des beschriebenen „globalen Ansatzes“ bieten, demnach alles zentral organisiert und verwaltet werden soll.
Nun soll es also das SAP Campus Management (SAP CM) sein, eine Software mit einem eher geringen Verbreitungsgrad. In der Eigenwerbung werden von SAP als Beispiele für eine erfolgreiche Implementierung die Universitäten von Basel (Schweiz), Montevideo (Uruguay), Mississippi (USA) und Leuven (Belgien) genannt. In Deutschland gibt es m.E. keine einzige Uni die SAP CM einsetzt. Die Uni Saarland hatte den Einsatz 2000 erwogen, 2001 aber wieder verworfen (siehe dazu den Jahresbericht der Zentralen Verwaltung 2001 der Uni Saarland); mit der TU München läuft ein Pilotprojekt.
Mit der Einführung von SAP CM an der FU Berlin verknüpfen die Verantwortlichen also viele Erwartungen, von denen noch keiner sagen kann, ob und inwieweit sie tatsächlich erfüllt werden können. Damit die Beteiligten wenigstens gut informiert sind ob der Dinge die da anrollen (anrollen sollen), gibt es entsprechende Veranstaltungen. Einer dieser Informationsveranstaltungen zur Einführung von SAP CM durfte ich vor kurzem beiwohnen. Obwohl sie sich eigentlich an Lehrende richtete, konnte man durchaus auch als Studierende(r) ein paar interessante Infos einsacken.
Mit Hilfe einer Präsentation stellten Michael Wilmes, Leiter des „Arbeitsbereichs Controlling IT“ und Dr. Holger Heubner, Leiter des „Teams für Studienstrukturentwickung“, das Projekt Campus Management vor. Der eigentliche „technische Mastermind“ in der Leitung des Projekts, Dr. Dirk Pape, war leider nicht zugegen.
Wilmes/Heubner hoben einige ihnen wichtige Punkte im Vortrag hervor. Dabei fiel auch das Stichwort „akademischer Kalender“: das Modul-Studium setzt einen fließenden, besseren Übergang von einem zum nächsten Semester voraus. So kann in einigen Fällen z.B. die Anmeldung für den zweiten Teil des Moduls erst erfolgen, wenn der Leistungsnachweis im ersten Teil erbracht wurde. Hier soll das Campus Management Hilfestellung leisten, indem es sicherstellt, dass der Studierende sich für den zweiten Teil erst anmelden kann, wenn die Note für den ersten Teil vom Dozenten im System vermekt wurde. Der braucht jetzt auch keine Scheine mehr ausstellen, sondern trägt einfach die Note ein. Der gesamte administrative Prozess soll beschleunigt werden.
Ein Nebeneffekt dieses Systems ist, dass die Abgabefristen für schriftliche Arbeiten verkürzt werden. Mit diesem Szenario beschäftigt sich auch ein SAP-CM-kritischer Artikel in der Studi-Zeitung „FUßnoten“. Bisher war der 31. März bzw. 30. September der Stichtag. In vielen Fällen wurde die Frist von den Dozenten in den April / Oktober oder sogar bis tief ins folgende Semester hinein verlängert. Um den fließenden Übergang im modularisierten Studium zu gewährleisten, sollen schriftliche Arbeiten jetzt bereits in der ersten März bzw. September Woche abgegeben werden. Auch eine Verlängerung der Frist durch einen entsprechenden Deal mit dem Dozenten ist nicht mehr möglich, da einzig das System festlegt, wann der Stichtag ist. So zumindest das „Horrorszenario“ aus studentischer Sicht.
Michael Wilmes betonte, dass das System auch in Zukunft „übersteuerbar“ bleiben soll, das letzte Wort hat demnach der Mensch, nicht die Sofware. Demgegenüber brachte Holger Heubner aber an anderer Stelle ganz klar zum Ausdruck, dass es ein gewollter Effekt des Systems ist, dass Regeln die auf dem Papier verbindlich festgelegt sind (also in der jeweiligen Studien- / Prüfungsordnung) in Zukunft mit Hilfe der Software dann auch wirklich so umgesetzt werden und nicht unter der Hand zwischen Dozent und Student wie bisher irgendwie umgangen oder zumindest großzügiger ausgelegt werden können. Zeitweise erinnerte Wilmes und Heubners Auftritt an eine „good cop, bad cop“-Show, die dann solche doch leicht widersprüchlichen Aussagen produzierte.
Bereits im kommenden Wintersemester sollen sich die Studierenden der BA/MA-Studiengänge über ein Webinterface für ihre Seminare anmelden können.
Eine der anwesenden Dozentinnen fragte an dieser Stelle sofort nach, ob das wirklich nur für BA/MA-Studierende gelten würde. Würde man nämlich gleich alle StudentInnen über dieses neue System managen, so könnte sie eine Obergröße für ihr Seminar festlegen und ein System vom Typ „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ einführen. Alle die nicht schnell genug sind mit dem anmelden, würden rausfallen. Dies wäre wunderbar, weil ihr Seminar dann nicht mehr überfüllt wäre. Leider wurde sie von Wilmes enttäuscht, der erklärte, dass der zusätzliche Aufwand der für die Aufnahme von Studierenden anderer Studiengänge – wie z.B. den frisch modulierten Diplomstudiengängen – anfallen würde, einfach zu groß wäre. Für’s erste bleibt SAP CM Studierenden vorbehalten, die auf BA/MA studieren.
Diese Ausführung führte im Auditorium zu stärkeren Unmutsausbrüchen. Viele Lehrende hatten gehofft, mit dem neuen System auch den ganzen zeitraubenden organisatorischen Aufwand loszusein. Keine Zettelwirtschaft mit zig Anmeldelisten für zig Studiengänge, zig Studienordnungen und zig verschiedenen Leistungsnachweisen mehr. Doch da hatten sie sich geschnitten, das moderne Campus Management bleibt der neuen „Elite“ aus BA- und MA-Studierenden vorbehalten.
Besonders Dr. Graf, anarchosyndikalistischer Altmeister, nahm Heubner und Wilmes in die Mangel. Ob denn dann die Software nicht eine Entscheidung in Richtung einer kompletten Abschaffung des neuen Diploms den Weg ebnen würde. So nach dem Motto, das Diplom ist eh schon so gut wie tot, dann braucht es auch nicht implementiert werden. Und wird es nicht implementiert, nimmt das seine endgültig Abschaffung de facto schon vorweg. Heubner und Wilmes betonten demgegenüber, dass sie nicht darüber entscheiden würden, ob ein Diplom-Studiengang erhalten wird oder nicht, auch habe das nichts mit der Software zu tun. Es wäre wie ausgeführt in näherer Zukunft ganz einfach nicht möglich, auch noch alle Nicht-BA/MA-Studierende in das System aufzunehmen, da der Aufwand bereits jetzt schon kaum zu bewältigen sei.
Eine Kommilitonin fragte nach, ob SAP CM nicht auch die Gefahr eines Missbrauchs bieten würde. Michael Wilmes entgegnete, dass es eine der Stärken von SAP Produkten sei, dass sie über ein sehr solides Berechtigungsmanagement verfügen würden. Man könne sehr detailliert festlegen, wer Zugriff auf welche Daten hat. Berüchtigt wären bei SAP auch die umfassenden Auditing Möglichkeiten. Jeder Schritt im System und damit auch jeder potentielle Fall einer Manipulation würde mitgeloggt, könne im Nachhinein immer nachvollzogen und ggf. rückgängig gemacht werden. Wir lernen, wenn vielleicht auch sonst nichts geht, das Panoptikum steht in jedem Fall.
Sorgen macht Wilmes im Moment mehr die verhältnismäßig schwache Anwendungsfreundlichkeit der Software. Es bestünden hier noch ergonomische Defizite, diese würden aber hoffentlich noch ausgeräumt.
Insgesamt wurde die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Das Campus Management soll an HISSOS, SAP HR und an das zentrale Idenity-Management-System (FUDIS) angebunden werden. HISPOS wird nur dort abgelöst, „wo es opportun ist“.
Ab dem 1. Oktober 2005 soll als erstes die Anmeldung für Seminare über eine Website für BA/MA-Studierenden möglich sein, im Februar 2006 sollen dann auch die Webfunktionen für Lehrende bereitstehen. Im Herbst 2005 soll es daher eine „Roadshow durch die Fachbereiche“ geben, wo dann auf weiteren Informationsveranstaltungen die Funktionen des neuen Systems erklärt werden. Die Studierenden die schon ab dem Oktober von den Neuerungen betroffen sind, sollen postalisch kontaktiert und über die neue elektronische Anmeldeform aufgeklärt werden.
Die studentische Skepsis gegenüber dem System ist sicherlich berechtigt, es besteht aber immer noch die realistische Chance, dass sich das Problem ähnlich wie beim „HISPOS Hype“ von allein erledigt, weil die Verantwortlichen das System nicht so hinkriegen, wie es geplant war.
Auch die Presse hat sich dem Thema inzwischen angenommen, es gibt einen Artikel in der jW von Philipp Mattern und zwei weitere von Peter Nowak in der taz und im ND.
Hinweis: Eine Übersicht mit allen das SAP Campus Management betreffenden Einträgen in diesem Blog findet sich hier.