Hieß es unlängst noch, der inzwischen berüchtigte „Studienerfolgsbericht“ sei ein internes Papier und werde gar nicht veröffentlicht (siehe „‚Studienerfolgsbericht‘ bleibt im Giftschrank“), ist er nun offenbar doch öffentlich zugänglich.
Der Kommilitone Mathias hat das 115 Seite starke Papier im AStA hinterlegt, wo es bei Interesse kopiert werden kann. Auch diversen Zeitungen liegt der Bericht inzwischen vor. Eine Online-Ausgabe ist allerdings offenbar leider nicht verfügbar. Und offiziell hat ihn die FU offenbar auch nach wie vor nicht veröffentlicht (?).
In der taz heißt es:
„Untersucht wurde dafür der Studienerfolg in den Bachelor-Studiengängen der Fachbereiche Biologie, Chemie, Pharmazie, Erziehungswissenschaften, Psychologie, Philosophie sowie Geschichts- und Kulturwissenschaften. Hohe Abgänge wurden im geistes- und im naturwissenschaftlichen Bereich festgestellt. So diagnostiziert die Studie beim lehramtsbezogenen Biologiestudium einen ‚außerordentlich hohen Schwund‘, beim lehramtsbezogenen Chemiestudium sei dieser ‚inakzeptabel‘, ebenso bei Philosophie. Dort brach über die Hälfte der KommilitonInnen das Studium ab.
Auch von einer kürzeren Studiendauer kann laut der Untersuchung nicht die Rede sein. Danach darf nur von 30 Prozent der Studierenden ein Abschluss in der Regelstudienzeit erwartet werden. 38 Prozent wird mindestens ein Jahr mehr, ein weiteres Drittel noch länger für den Abschluss benötigen. Für den Fachbereich Philosophie wird prognostiziert, dass lediglich 14 Prozent der KommilitonInnen ‚mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Examen nach nur drei Jahren abschließen können‘.“ („Uni-Reform verprellt Studierende“, taz, 05.13.07)
In einem Bericht über die Sitzung des Akademischen Senats vom 14.11.07 schreibt der Kommilitone Bartelt zu den wesentlichen Ergebnissen des Berichts:
„Im Jahr 2006 wurden 871 Bachelor-Studierende exmatrikuliert, von denen sich 50,4% an besagter Umfrage des Präsidiums beteiligt haben. Davon waren 240 im Kombi- und 160 im Mono-Bachelor eingeschrieben.
Ihr Abidurchschnitt lag im Mittel bei 2,5 und als Studienwahlmotive gaben 86% Fachinteresse und 79% ‚eigene Begabung‘ (was immer das heißen soll…) an.
Rund die Hälfte war erwerbstätig und Hauptgründe für die Exmatrikulation waren der fehlende Berufs- und Praxisbezug des Studiums, das Anstreben von praktischeren Tätigkeiten und die Unklarheiten über die Fortführung der Masterstudiengänge.
In der Auswertung wurden 35% der Befragten in die Spalte ‚Verwählt‘, 25% ‚Überfordert‘, 18% ‚Enttäuscht‘ und 21% ‚frühzeitig wechselnd‘ eingeteilt.“ („Evaluation statt Mitbestimmung – Neues aus dem Akademischen Senat (14.11.07)„, FSIs Blog, 15.11.07)
Ronny von der LHG schreibt in seinem Bericht über die letzte Kuratoriumssitzung in diesem Jahr (in der das Ergebnis des „Studienerfolgsberichts“ ebenfalls thematisiert wurde):
„Die Erkenntnis ist, dass nicht jede/r die/der geht, geht, mit der allgemeinen Situation an der Uni unzufrieden ist. Die Erkenntnis ist aber auch, dass eine ganze Menge junger Menschen gehen, weil sie offensichtlich vor Studienbeginn nicht ordentlich über die Anforderungen informiert waren. Zu erkennen ist ebenfalls, dass vielen der Start in das Studium nicht recht gelingt, und sie bei Problemen auch niemanden haben, an den sie sich wenden können. 60% verlassen die Universität, ohne sich je in eine Beratung begeben zu haben. Daraus ergibt sich meines Erachtens wenigstens dreierlei:
Erstens, dass die Studierenden bereits vor Antritt ihres Studiums ordentlich über die genauen Inhalten und den exakten Aufwand (der sich in einigen Fächern insbesondere vor den Semesterferien immens kumuliert) informiert werden, den sie zu betreiben haben.
Zweitens, dass den Studierenden möglichst schon vor dem ersten Vorlesungstag, also zu einem Zeitpunkt, wo die Wahl der Kurse, der Umgang mit Campus Management, das Zurechtfinden auf dem Campus etc. bereits zu Problemen führen, wirkliche Ansprechpartner zur Seite gestellt werden, die mehr sind als eine abstrakte ‚Sprechstunde‘ sondern die echte Hilfe und Problemlösung anbieten können.
Und drittens braucht es eine Überarbeitung der Studiengänge dahingehend, dass die Studienorganisation einfacher möglich (z.B. transparenter und flexibler) ist und sich der Workload (Arbeitsaufwand) sinnvoll über das Semester verteilen lässt. Letztendlich sind dies ja auch Fragen, die nicht nur die Exmatrikulierten sondern auch diejenigen Studierenden betreffen, die sich trotz ihrer Probleme durch das Studium schleifen, obwohl ihnen das Leben mit besseren Bedingungen deutlich vereinfacht werden könnte.“ („Aus der letzten Kuratoriumssitzung“, LHG Blog, 30.11.07)
Im FSI OSI Blog wird ausführlich aus dem Bericht zitiert:
„Da [im Fazit des Berichts, Anm. FUwatch] heißt es ganz lapidar:
‚Die bisher mit der Einführung der neuen Studiengänge verbundenen Vorstellungen: – geringerer Studienabbruch aufgrund intensiverer Betreuung und besserer Strukturierung der Studiengänge sowie – Verkürzung der Studiendauer werden nicht oder nur teilweise eingehalten.‘ (…)
Vor allem das Ziel ‚geringerer Studienabbruch‘ wird deutlich verfehlt. So liegt die Abbrecherquote im Magister-Hauptfach nach 5 Fachsemestern im Schnitt bei zehn Prozent, in 60 LP-Bachelorstudiengängen dagegen bei 28 Prozent und in 90 LP-Bachelorstudiengängen sogar bei desaströsen 37 (!) Prozent.
Die einzige alte Studienordnung, die da nur ansatzweise ‚mithalten‘ kann, sind Lehramtsstudiengänge – hier beträgt der ‚Schwund‘ 25 Prozent. Gründe dafür nennt die Studie ebenfalls: ‚Studierende geben im größeren Umfang als bisher ihr Studium auf und die Bewerberzahl einen Studienplatz in einem höheren Fachsemester hat sich verringert. Studierende sind [..] nicht daran interessiert, in ein höheres Fachsemester in den Bachelorstudiengang an der FU zu wechseln [..].‘ (S. 5)
Eine detaillierte Auflistung der Abbrecherquoten in den einzelnen Studiengängen folgt. Hierbei zeigt sich, dass v.a. LehramtsstudentInnen mit Bachelor-Studienordnungen überhaupt nicht zurechtkommen. Im 90-LP-Bachelor Biologie auf Lehramt gaben innerhalb der ersten fünf Semester 65 Prozent der Studierenden auf (zum Vergleich: in der alten Studienordnung waren es 17 Prozent). Weitere ähnliche Beispiele unter den Lehramtsstudiengängen finden sich zuhauf.
Ebenfalls unbeliebt: B.A.-Abschlüsse in den Geisteswissenschaften, v.a. wenn mensch den Vergleich mit den alten Studienordnungen zieht. Im 90-LP-Bachelor ‚Deutsche Philologie‘ brachen 18 Prozent der Studierenden ihr Studium vorzeitig ab. Verglichen mit den Durchschnittswerten (s. oben) ist das wenig, verglichen mit dem bisherigen Magisterstudiengang eine Versechsfachung: in der alten Studienordnung brachen nur drei Prozent der Studierenden ihr Studium ab.
Über die Philosophen heißt es in der Studie: ‚Der Schwund in den neuen Studiengängen ist inakzeptabel hoch. Mehr als die Hälfte [53 Prozent, um genau zu sein, Anm. d. Verf.] verlassen diesen Studiengang innerhalb von zwei Jahren. Dies war in dem auslaufenden Magisterstudiengang nicht der Fall.‘ (S. 25) In diesem betrug die Abbrecherquote gerade mal 14 Prozent.
Doch auch die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, die angeblich mannigfaltig von den neuen, ’strafferen‘, ‚praxisbezogeneren‘ usw. usf. B.A.-Abschlüssen profitieren sollten, schneiden geradezu desaströs ab. Als – zugegebenermaßen sehr negatives – Beispiel sei hier der Informatik-Studiengang erwähnt. Die Einführung des Bachelors verzehnfachte (!) hier die Abbrecherquote im Vergleich zum Diplomstudiengang: von sieben auf 71 Prozent im Monobachelor. Im 90-LP-Modul betrug der Schwund noch einmal mehr: nur gut jedeR zehnte (14 Prozent) blieb länger als fünf Semester dabei. Mit ein Grund: Studierende wechseln in höheren Fachsemestern offenbar ‚in erheblichem Umfang‘ (S. 17) in den Diplomstudiengang.
Dies passiert übrigens auch am OSI; während der Diplomstudiengang sogar noch dazugewinnt, also quasi einen ’negativen Schwund‘ aufweist, verlassen 36 Prozent der PolitikstudentInnen ihren Bachelorstudiengang.“ („Der ‚Erfolg‘ der Bachelor-Studienordnungen“, FSI OSI Blog, 05.12.07)
Der Tagesspiegel fasst die Erklärung für die geringere Abbrecherquote in den Magisterstudiengängen wie folgt zusammen:
„Wie kommt es aber, dass in den alten Magisterstudiengängen der Schwund so gering ist, obwohl dort die Abbrecherquoten als besonders hoch galten? Die Abgänge seien gut durch Studierende ausgeglichen worden, die in höheren Fachsemestern von anderen Unis an die FU wechselten, heißt es in dem internen Papier. Das sei im Bachelor bisher kaum passiert. Dies werde sich aber ändern, wenn andere Hochschulen entsprechende Studiengänge anbieten. Die Berliner Hochschulen und vor allem die FU gelten deutschlandweit als Vorreiter bei der Studienreform.“ („Streit um den Bachelor der FU“, Tagesspiegel, 07.12.07)
*lol* Natürlich! Wenn nur alle anderen Unis dieselben unbrauchbaren BA-Studiengänge anbieten, dann kann endlich auch beim BA fleißig von Uni zu Uni hin- und hergewechselt werden, weil man ohnehin überall denselben Dreck fressen muss.
Einen „Run“ gibt es eigentlich nur auf die alten Studiengänge
Vor die Wahl gestellt, einen alten Magister- / Diplom-Studiengang oder einen neuen BA-Studiengang zu studieren, entscheidet sich die Mehrheit immer noch für die erste Variante. Jedenfalls ist der immense Zulauf in diese alten, eigentlich ja auslaufenden Studiengänge schon sehr auffällig.
Statt nun aber zu hinterfragen, ob das mit der Bologna Reform wirklich so eine tolle Idee war, macht man lieber nach und nach alle alten Studiengänge dicht. Haben die Studierenden keine Alternative mehr, werden sie die BA-Studiengänge schon noch „lieben lernen“.
Denkbare Lösungsansätze für die jetzigen Probleme in den BA-Studiengängen
Ob die geplanten Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die jetzige BA-Misere greifen oder überhaupt eingeleitet werden, wird sich noch zeigen.
Sicherlich kann man die Anzahl der Studierenden die sich „verwählt“ haben zukünftig reduzieren, wenn man die Informationsangebote vor Beginn des Studiums ausbaut. Also den BewerberInenn möglichst genaue Angaben darüber macht, was auf sie zukommt.
Bei den Kombi-Studiengängen muss darüber hinaus auch die Möglichkeit vereinfacht werden, sein Nebenfach („Modulangebot“) zu wechseln. Denn viele Abbrecher haben sich ja nicht versehentlich „verwählt“, sie wurden von Anfang an vor die Wahl gestellt, ein ihnen unliebsames „Modulangebot“ zu wählen oder es eben gleich ganz zu lassen. Es müssen also zum einen die Fächer stärker geöffnet werden, so dass auch jedeR die Kombination bekommt, die er / sie eigentlich möchte und zweitens, falls dies nicht möglich ist, dann im späteren Verlauf wenigstens noch die realistische Chance erhält, sein / ihr „Modulangebot“ zu wechseln.
Um zu vermeiden, dass die Studierenden aufgeben, weil sie sich „überfordert“ fühlen, reicht es vermutlich nicht, sie vorher intensiver über den bevorstehenden Arbeitsaufwand aufzuklären. Viel mehr muss ein Arbeitsaufwand der objektiv zu hoch ist, dann auch einfach reduziert werden. Wenn ein Viertel der Befragten angeben, sie hätten abgebrochen, weil sie überfordert gewesen wären, dann sind vielleicht einfach die Leistungsanforderungen generell zu hoch (zu viel Arbeit in zu kurzer Zeit).
Die BA-Studierenden als Probanden in den Reform-Experimenten der Unileitung
Natürlich könnte man sich alternativ auch eingestehen, dass die Studienreform im Sinne des Bologna Prozess‘ gescheitert ist. Der Bericht liefert jedenfalls genug Belege für diese These. Nur natürlich werden die Verantwortlichen das nicht tun, ein Ausstieg aus den neuen, modularisierten Studiengängen ist für sie aus vielerlei Gründen keine Option.
Sie werden stattdessen darauf verweisen, es „müsse nachgebessert werden“. Selbst wenn das aber nun tatsächlich getan wird, besteht natürlich immer noch keine Garantie, dass die BA-Studiengänge doch noch ein Erfolg werden. Denn liegt der Fehler im Konstrukt des modularisierten Studienaufbaus als solchem, hilft vermutlich auch kein Nachbessern mehr.
Und von denen, die Lenzens ehrgeizigen Plänen die FU zum „Vorreiter bei der Studienreform“ zu machen, bereits jetzt zum Opfer gefallen sind, redet ja schon gar keiner mehr. Das wird dann vermutlich unter „Verluste“ abgebucht, die der Fortschritt nun mal grundsätzlich immer mit sich bringt.
Davon ausgehend, dass die meisten Studienabbrecher die im BA-Sumpf der FU stecken geblieben sind, vermutlich nie wieder eine Uni von innen sehen werden (weil sie abgeschreckt und fürs Leben von dieser Erfahrung geprägt sind) und ohne Hochschulabschluss statistisch gesehen deutlich geringere Chancen haben später ein Auskommen zu haben von dem es sich wirklich leben lässt („prekarisiert“ werden), ist es wohl nicht überzogen zu behaupten, dass die „Experimentierfreude“ von Lenzen und Konsorten bereits jetzt Existenzen zerstört hat und wohl auch in Zukunft zerstören wird.
Denn nüchtern betrachtet sind die BA-Studierenden ja genau das: Probanden in den Reform-Experimenten der Universitätsleitung, die einen höheren „Ausschuss“ in der übereilten Übergangsphase billigend in Kauf nimmt, nur um bei der Umsetzung des Bologna Prozess‘ in Deutschland ganz vorne mit dabei zu sein.