Die Scharenberg-Affäre

Die „FSI Student Board“ (manchmal auch „FSI Students‘ Board“ geschrieben) lädt zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Wo bleiben unsere Juniorprofessuren?“ am 17.10. um 14 Uhr im JFKI, Raum 340 ein.

Eingeladen sind FU-Präsident Dieter „Eames Chair“ Lenzen (aka Dieter der Gebieter), die erste FU-Vizepräsidentin Prof. Ursula Lehmkuhl (am JFKI beheimatet) sowie alle Lehrenden und Studierenden.

Um was geht es?

Das JFKI eröffnet in diesem Semester seine „Graduate School of North American Studies“, das „exzellente“ Aushängeschild der FU (am Freitag sehen wir, ob es dabei bleibt oder die FU noch „höhere Weihen“ erhält). FU-Präsident Lenzen brauchte diese Graduierten-Schule dringend, sie ist praktisch die Rampe zum Aufstieg der FU zur Eliteuni. Diese zentrale Bedeutung vor Augen, wurden dem JFKI sechs Juniorprofessuren versprochen.

Und tatsächlich konnte sich die FU mit dem Konzept der „Graduate School of North American Studies“ dann in der ersten Exzellenzrunde durchsetzen. Doch trotz durchgeführter Berufungsverfahren fehlen mehr als eineinhalb Jahre später immer noch zwei Juniorprofessoren, die am Institut dringend benötigt werden.

Eine dieser beiden Stellen sollte durch Dr. Albert Scharenberg besetzt werden, der schon länger an der FU tätig ist und sich im Berufungsverfahren gegen andere Kandidaten durchsetzen konnte (inkl. externer Gutachten, etc.). Er wurde auf die erste Stelle der Berufungsliste gesetzt und der Vorschlag wurde sowohl durch den Fachbereichsrat Politik- und Sozialwissenschaften als auch durch den JFK-Institutsrat inzwischen jeweils zwei Mal bestätigt.

Damit war die Sache eigentlich endlich erledigt, doch FU-Präsident Lenzen stellte sich quer und leitete die Liste nicht, wie im Landeshochschulgesetz vorgesehen, an Wissenschaftssenator Jürgen „Dagobert“ Zöllner weiter. Offizielle Begründung: Scharenberg sei „im Hinblick auf sein Lebensalter (42 Jahre) in keiner Weise ausreichend wissenschaftlich qualifiziert, um auf Exzellenzniveau in einem Bereich mitzuarbeiten, der als bisher einziger im Exzellenzwettbewerb erfolgreich war“ (offizielle Begründung des FU-Präsidiums zitiert nach Spiegel Online, 10.09.07)

Fadenscheinige Begründung

Beide Argumente, das vermeintlich zu hohe Alter gekoppelt mit der angeblich mangelnden Qualifikation, sind lächerlich. Bezüglich des Alters schreibt Michael Plöse in einem lesenswerten und ausführlichen Artikel:

„Selbst für Juniorprofessuren macht § 102a des Berliner Hochschulgesetzes das Alter der Kandidaten explizit nicht zur Voraussetzung. Und auch andere Juniorprofessorinnen und -professoren an der FU sind bei ihrer Einstellung deutlich älter als 40 Jahre gewesen.“ („Der Professorenschlag“, Telepolis, 15.10.07)

Und auch die zweite Aussage, Scharenberg sei wissenschaftlich nicht ausreichend qualifiziert, um das „Exzellenzniveau“ zu halten, trägt nicht:

„Dr. Albert Scharenberg ist Historiker und Politologe. Als Nordamerika-Spezialist ist er seit Jahren Lehrbeauftragter für Politik und Amerikastudien am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin und Redakteur der renommierten Blätter für deutsche und internationale Politik. Bereits drei Monographien hat der Verlag Westfälisches Dampfboot von Scharenberg herausgebracht. Selbst die Einführungsvorlesung im Nordamerikastudiengang hat er gehalten.“ (ebd.)

Zudem: Sowohl FU-interne als auch externe Fachleute haben Scharenberg seine Qualifikation bescheinigt. Offensichtlich ist die Begründung für die Ablehnung durch das FU-Präsidium also nur vorgeschoben. Es stellt sich folglich die berechtigte Frage, was denn nun die tatsächlichen Gründe für eine Intervention seitens Lenzen waren.

Der Verdacht: Die Ablehnung war politisch motiviert

Mitte September entschließt sich der Spiegel-Autor Philipp Wittrock Licht ins Dunkel zu bringen und veröffentlicht bei Spiegel Online einen Artikel aus dem hervorgeht, dass die Kollegen von Scharenberg an der FU politsche Gründe vermuten („Linke Nummer an der FU Berlin“, Spiegel Online, 10.09.07). Demnach war Scharenbergs Tätigkeit im Kuratorium der linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) ausschlaggebend für Lenzens Veto.

Beweise gibt es für dieses Gerücht nicht, aber es hält sich hartnäckig, gerade weil eben die offizielle Begründung für die Ablehnung wie ausgeführt ausgesprochen fadenscheinig ist. Erdrückend für Lenzen ist, dass es eben offensichtlich nicht nur eine Einzelstimme ist, die unterstellt, das Präsidium habe Scharenberg aus politischen Gründen abblitzen lassen, diese Ansicht scheint im Institut viel mehr „common sense“ zu sein:

„‚Es steckt mehr dahinter als das Alter‘, sagt ein Mitglied [der Berufungskomission, Anm. FUwatch]. Ein anderes sagt: ‚Alle wissen, dass die Entscheidung irrational ist, sie hat allein einen politischen Hintergrund.‘ Aus dem Umfeld des Präsidiums wird fast schon Abscheu für die Kuratoriumstätigkeit Scharenbergs überliefert: ‚Stellen Sie sich vor, der ist in der Rosa-Luxemburg-Stiftung.‘ Hinter verschlossenen Türen werde auf höchster Ebene über linke Seilschaften und Verschwörungen spekuliert.“ („Linke Nummer an der FU Berlin“, Spiegel Online, 10.09.07)

Der Fall Scharenberg ist allerdings auch nicht der erste Skandal an der FU in dieser Richtung. So sollte z.B. 2005 nach Lenzens Wille der Chefredakteur des Magazins „Cicero“ (für das Lenzen auch schreibt), Wolfram Weimer, den Lehrstuhl für journalistische Praxis besetzen – entgegen der wissenschaftlichen Empfehlung. Schließlich zog Weimer dann seine Bewerbung aber zurück.

Die „Scharenberg-Affäre“ wurde dann von weiteren Zeitungen aufgegriffen, unter anderem von der Berliner Morgenpost (11.09.07), dem Neuen Deutschland (12.09.07), der Berliner Zeitung (14.09.07), der jungen Welt (22.09.07) und jetzt.de (26.09.07). Und auch der AStA FU verurteilt in einer Pressemitteilung das „autoritäre Eingreifen des Präsidiums“ („Berufungsverfahren am John-F.-Kennedy Institut der FU Berlin“, AStA FU, 13.09.07).

Offener Brief von 200 Wissenschaftlern an den Präsidenten

Am gestrigen 15.10. erschien dann ein offener Brief als Anzeige im Berliner Tagesspiegel, der von rund 200 deutschen und internationalen Wissenschaftlern unterschrieben war:

„(…) Dass wir uns in dieser Personalangelegenheit, die normalerweise aus gutem Grund nicht öffentlich behandelt wird, an Sie wenden, liegt an den Gerüchten, die uns – wie auch sicherlich Ihnen – seither zu Ohren gekommen sind und die Ihren angeblich wahren Motiven gelten, die Berufungsliste Scharenberg nicht weiterzureichen (vgl. die Berichterstattung bei ‚Spiegel Online‘ sowie in ‚Berliner Zeitung‘, ‚Berliner Morgenpost‘ u.a.).

Wir wenden uns an Sie in der tiefen Sorge um die wissenschaftliche Freiheit, auf die sich die Forschung und Lehre an der FU, schon in ihrem Namen und Logo, stolz beruft. Uns scheint der Gedanke, politische Antipathien – und zwar der Umstand, dass Dr. Albert Scharenberg auch dem Kuratorium der Rosa-Luxemburg-Stiftung angehört – könnten bei diesem Berufungsverfahren eine entscheidende Rolle gespielt haben, gänzlich mit dem an Exzellenz orientierten Anspruch und dem freiheitlichen Geist der FU unvereinbar zu sein. Und es wäre zweifellos verheerend für die Freie Universität, wenn sich der Eindruck verfestigte, hier würden Professuren nach politischer Opportunität besetzt.

Da wir uns mit Ihnen einig wissen, dass wir Schaden von der FU Berlin abwenden wollen, da wir uns weigern anzunehmen, Sie seien dabei, um kleinlicher, gar oberflächlich politischer Einwände willen nicht primär der Person Dr. Albert Scharenberg, wohl aber der Sache Nordamerikastudien in Forschung und Lehre sowie der akademischen Freiheit an der FU Berlin zu schaden, appellieren wir an Sie, das Fehlverhalten des Präsidialamts umgehend zu korrigieren (…)“ (Offener Brief an den Präsidenten der FU, 14.10.07)

Die Liste der Unterzeichner macht vor allem deutlich, dass das Vorgehen des FU Präsidiums nicht nur innerhalb von Deutschland, sondern auch international Irritationen hervorgerufen hat.

Die Reaktion des Präsidiums

Das Präsidium weist den Vorwurf der politischen Opportunität natürlich „aufs Schärfste zurück“, wie es in der heutigen Ausgabe des Tagesspiegels heißt („Der Fall Scharenberg“, Tagesspiegel, 16.10.07). Viel mehr sei die Entscheidung der Berufungskommission rechtlich beanstandet worden:

„Ein Mitglied der Kommission und ein Gutachter seien Scharenberg gegenüber befangen gewesen, und dies hätten sie verschwiegen (…) Aus der Universität ist zu hören, dass die Vorsitzende der Kommission, die Politologin Margit Mayer, Scharenbergs Habilitation betreute.“ („Der Fall Scharenberg“, Tagesspiegel, 16.10.07)

Bei Spiegel Online wird dagegen deutlich, wer der besagte befangene Gutachter sein soll:

„Welches Mitglied der Berufungskommission das Präsidium nun als befangen erachtet, ist unklar. Was die externen Gutachter angeht, ist der Uni-Spitze – nach einem nunmehr monatelangen Verfahren – offenbar aufgefallen, dass der Kasseler Wissenschaftler Christoph Scherrer in den 90er Jahren am JFK-Institut wissenschaftlicher Assistent Margit Mayers war, die nun der Berufungskommission für die Juniorprofessur vorsitzt. 1999 habilitierte Scherrer am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der FU.“ („Professoren kritisieren FU-Präsidenten“, Spiegel Online, 15.10.07)

Nimmt man die Informationen vom Tagesspiegel und Spiegel Online zusammen, so sind es offenbar Scherrer als externer Gutachter und Mayer als Vorsitzende der Berufungskommission, die man im Präsidium für befangen hält.

Ein insgesamt eher schwaches Ausweichmanöver (zudem es verhältnismäßig spät kommt), der Rückhalt für Scharenberg ist groß, von allen Fachleuten wurde ihm bestätigt von den BewerberInnen für die Stelle die erste Wahl zu sein. Zusätzlich buddelt der Tagesspiegel noch den ehemaligen Vizepräsident der FU, Klaus Hempfer, aus:

„Das Politische werde von den Briefschreibern ‚hochgespielt‘, sagt Hempfer, der sich einst in der ‚Notgemeinschaft‘ an der Freien Universität engagierte. Die Notgemeinschaft war bis 1990 eine Gruppe konservativer Professoren, die die FU gegen den Einfluss linker Hochschullehrer und -gruppen verteidigen wollte. Hinter dem Brief stünden offenbar ‚interessierte Kreise‘, die der FU im Elitewettbewerb schaden wollten, so Hempfer. Es könne kein Zufall sein, dass er wenige Tage vor der Entscheidung am kommenden Freitag erschienen sei.“ („Der Fall Scharenberg“, Tagesspiegel, 16.10.07)

Wie hieß es weiter oben im Spiegel Online Zitat noch über das Präsidium: „Hinter verschlossenen Türen werde auf höchster Ebene über linke Seilschaften und Verschwörungen spekuliert“ („Linke Nummer an der FU Berlin“, Spiegel Online, 10.09.07).

Dass Präsident Lenzen der Einladung ins JFKI am Mittwoch folgt, ist eher unwahrscheinlich (wir erinnern uns ja noch gut an den Dezember 2005). Vielleicht erscheint aber wenigstens Vizepräsidentin Ursula Lehmkuhl um mit Scharenberg und den FU-Studierenden die fragwürdige Personalpolitik an der FU zu diskutieren. Voll werden dürfte es jendenfalls im JFKI.

14 Antworten to “Die Scharenberg-Affäre”

  1. David Says:

    Eine Frage: Warum „Eames Chair“? :)

  2. Hexenjagd gegen linken Dozenten … geht weiter! // SEMTIX - Stark fürs Semesterticket Says:

    […] dem studentischen blog fuwatch findet sich mitlerweile eine ausführliche Dokumentation der “McLenzen […]

  3. Herrfischer a. d. F.U.B. Says:

    […] Ein internationales Team von mehr als hundert Wissenschaftler* hat in diesen Tagen eine – wie soll man sagen? – «Schrift» veröffentlicht. In Berlin. In einer Tageszeitug. Auch hinter diesem Link zu finden. Und auch hier und hier und hier wurde darüber berichtet, sowie hier und hier. […]

  4. Wolf Dermann Says:

    David schrieb:
    „Eine Frage: Warum “Eames Chair”? :)“

    Die Verbindung von Lenzen mit dem „Eames Chair“ basiert auf einer Beobachtung von mir in meinem Bericht über den neu eingerichteten Sitzungssaal des Akademischen Senats. Hier gab es neue Stühle, und mit meinem großen interdisziplinären Wissen :) schrieb ich in die Bildunterschrift meines Fotoblogs, dass es sich um „Eames Chairs“ handeln würde. Niklas fand das wohl übernehmenswert.
    Was „Eames Chairs“ genau sind, findest Du hier (gemeint ist die Produktreihe EA):
    http://www.vitra.de/products/designer/charles_ray_eames/

    Die Älteren unter uns erinneren sich sicher noch an die berühmte weiße Lederversion aus der Sendung „Wetten Dass..?“ mit Frank Elstner ;-)

  5. NoFU strikes again? | Fachschaftsini Geschichte FU Says:

    […] gern übersehenes Detail im Skandal um die Blockade der Berufung des Politikdozenten Albert Scharenberg wurde vor kurzem an ganz unverhoffter Stelle enthüllt. Ausgerechnet der sonst so präsidiale und […]

  6. Niklas Says:

    || Eine Frage: Warum „Eames Chair“?

    Wie Wolf oben schon schrieb kam mir die Idee zu diesem Spitznamen für Lenzen bei der Sichtung einer Fotoserie die Wolf vom sanierten Henry-Ford-Bau gemacht hat. Zu sehen ist auf den Bildern unter anderem in welch „edlem Ambiente“ (gemessen am normalen Standard in der FU) der Akademische Senat residiert.

    Und während sich der Akademische Senat Designermöbel und monströse Bildschirme gönnt, werden woanders ganze Bereiche der Uni demontiert und kaputt gespart. Insofern steht der „Eames Chair“ symbolisch für die „Ära Lenzen“: Dekadenz in den oberen Etagen, Verelendung an der Basis. Die Fassade glänzt, während es dahinter immer weiter abwärts geht.

  7. Das große Nachdenken « FUwatch Says:

    […] große Nachdenken Wie angekündigt kam es am gestrigen Mittwoch zum universitäts-internen Showdown in der […]

  8. FU Berlin schafft knapp den Sprung zur “Eliteuni” « FUwatch Says:

    […] als Bestätigung dienen wird, den neoliberalen Umbau der Uni weiter voranzutreiben und dabei den antidemokratischen Führungsstil […]

  9. Das liberale Blog an der FU Berlin » Blog Archive » Zöllner zürnt im FU-Kuratorium Says:

    […] Sache “Scharenberg”: In den Medien und durch die studentischen Blogs war die Nicht-Berufung der Junior-Professur in der Nordamerikanistik bis zur Exzellenz-Entscheidung […]

  10. Die Scharenberg-Affäre war kein Einzelfall « FUwatch Says:

    […] Karl-Heinz Heinemann ein Telepolis-Interview geführt, in dem – erneut – deutlich wird, dass die Scharenberg-Affäre kein Einzelfall gewesen ist. Sicherlich nichts fundamental Neues, aber trotzdem […]

  11. systemkonformisierend « hopowatch Says:

    […] einzuschleichen, dass kritische wissenschaftlerInnen durch unipräsidiale interventionen einfach nicht berufen werden oder dass kritikerInnen durch unipräsidial verordnete maulkorberlasse nicht mehr […]

  12. Das harte Brot der kritischen Wissenschaft deutsche Hochschullandschaft. Ein Interview bei Telepolis at IBI-Weblog Says:

    […] ist eine sehr umstrittene Nicht-Berufungsentscheidung an der Freien Universität, über die u.a. auch Spiegel Online berichtet: Nun hatte ihn [Albert […]

  13. Unicheck-Watchblog » INSM-Mietmaul Dieter Lenzen beim Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) Says:

    […] kapitalismuskritisch ausgerichtete Bewerber wie Albert Scharenberg trotz besserer Qualifikation ablehnt. So macht also ein Dieter Lenzen […]

  14. Neues in der Scharenberg-Affäre « FUwatch Says:

    […] der Scharenberg-Affäre Es gibt Neues im Fall der so genannten Scharenberg-Affäre (siehe “Die Scharenberg-Affäre”). Durch einen Spiegel Online Artikel wurde im Herbst 2007 bekannt, dass das FU Präsidium ein Veto […]

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