StudiVZ gruschelt sich immer tiefer in den Sumpf

StudiVZ kommt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Nachdem der Betreiber des Online-Studentennetzes, Ehssan Dariani, erst vor kurzem wegen seiner „Nazi-Satire“ und Spanner-Handy-Foto-Shots in die Kritik geraten war, walzt sich nun ein weiterer Skandal um StudiVZ von der Blogosphäre ausgehend bis in die Mainstreammedien.

700 Cyberstalker und eine „Miss-Wahl“

Losgetreten hat die Lawine DonAlphonso, der in einem Blog-Eintrag detailliert und mit Screenshots belegt darstellt, wie sich innerhalb von StudiVZ eine rein männliche Gruppe von rund 700 Cyberstalkern gebildet hat, die mit weiblichen Mitgliedern der Community eine Misswahl veranstalteten – wovon diese allerdings nichts wussten. Die Mitglieder der besagten Gruppe bedienten sich der Fotos der von ihnen ausgewählten Kandidatinnen und veröffentliche darüber hinaus teilweise noch weitere persönliche Daten wie den vollen Namen, den Studienort und die Wohnadresse.

Nachdem man erst einmal eine „Miss“ gewählt hatte, wurde diese auf ihrem Profil von ihren männlichen Verehrern gemeinschaftlich „gegruschelt“. Christian Stöcker beschreibt in Spiegel Online – wo man sich der Story inzwischen auch angenommen hat – was man sich unter „gruscheln“ vorzustellen hat:

„‚Gruscheln‘ heißt es im Studentennetzwerk StudiVZ, wenn man jemandem einfach virtuell Hallo sagt. Das Wort haben sich die Gründer der mittlerweile erfolgreichsten deutschen Studenten-Community selbst ausgedacht – es entspricht in etwa dem ‚Poking‘ im großen US-Vorbild Facebook: ein virtueller Gruß mit Flirt-Unterton, von einem Mitglied zum anderen. Gruscheln klingt ein bisschen nach Kuscheln. Und ein bisschen nach Grapschen. Genau dieser Beiklang ist für einige weibliche Mitglieder von StudiVZ jetzt in den Vordergrund gerückt.“ (Spiegel Online, 27.11.06)

In der Pubertät stecken geblieben

‚Was meint ihr, wie die verdeppert guckt, wenn sie innerhalb von zehn Minuten von 15 Typen gegruschelt wird‘, wird ein Gruppenmitglied zitiert. Wenn man so etwas liest, fragt man sich, wie alt die Mitglieder von StudiVZ wohl sein mögen. Bei einer Gruppe von männlichen Teenagern, die mit den Problemen der Pubertät zu kämpfen haben, mag dies alles noch nachvollziehbar sein, aber bei Studierenden die Anfang oder Mitte 20 sind? Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, aber das eigentlich Bedenkliche ist, dass diese virtuellen Eskapaden nur das Selbstverständnis der Studierenden widerspiegelt, das diese auch in der Realität haben. Obwohl man solche prolligen Verhaltensmuster eigentlich eher mit Heranwachsenden und „bildungsfernen Schichten“ assoziieren würde und weniger mit angehenden Akademikern. Aber vermutlich ist das zu stereotyp gedacht.

Liest man sich jedenfalls mal die Threads im Heise-Newsticker-Forum zum Thema durch, stellt man schnell fest, dass viele Zeitgenossen arge Problemen haben, nachzuvollziehen, wo hier das Problem sein soll.

Ein Mitgründer von StudiVZ bat um Mitgliedschaft in der Stalker-Gruppe

Das gilt auch für die Leitung von StudiVZ, die derartigen Auswüchsen keinen Riegel vorgeschoben hat, weil man nichts bedenkliches an dieser Gruppe von Cyberstalkern finden konnte. Viel mehr soll einer der Mitgründer von StudiVZ selbst Interesse an der Gruppe gehabt haben (Spiegel Online, 27.11.06).

Fast täglich neue Sicherheitslücken

Parallel dazu schwelt ein „Dauer-Skandal“ um die fragwürdige Datenschutzpolitik von StudiVZ. Sicherheitsmängel erlauben den Zugriff auf private Daten der Benutzer (siehe dazu z.B. get-privacy.info und fx3.org). Wie heise Security gestern berichtete war StudiVZ am 27.11. offenbar von 12 Uhr bis zum Abend komplett offline. Grund war eine Phishing-Attacke, mit der die Angreifer sich Zugriff auf die Daten der StudiVZ-Nutzer zu verschaffen versuchten. Laut StudiVZ waren 32 Nutzer direkt betroffen. Um weiteren Datenklau zu vermeiden, wurde die Seite dann einfach komplett offline geschaltet.

Auch der HU RefRat warnt

Inzwischen warnt selbst der RefRat der HU in einer offiziellen Presseerklärung vor StudiVZ. Der Aufforderung StudiVZ fernzubleiben kann man sich nur anschließen. Wer aber bereits einen Account dort hat und echte Daten angegeben hat, sollte entweder den Account dichtmachen oder wenigstens seine Daten löschen.

Read on

Wer noch mehr Input zum Thema möchte, sollte einen Blick auf die gut geführte Chronologie von „Beissreflex“ werfen. Eine ausführliche und lesenswerte Analyse hat der Kommilitone Falk am Start.

Update 29.11.

Inzwischen warnt auch der AStA FU vor StudiVZ.

13 Antworten to “StudiVZ gruschelt sich immer tiefer in den Sumpf”

  1. atari Says:

    „Inzwischen warnt selbst der RefRat der HU in einer offiziellen Presseerklärung vor StudiVZ. “

    Wie hast Du denn vor heise.de die Presserklärung gefunden oder hast Du nochmal editiert?

  2. Niklas Says:

    Spiegel Online erwähnte die besagte Presseerklärung vom HU-RefRat bereits am Montag (27.11.). Ich musste nur noch den Link raussuchen, den hatte SpOn vergessen (bzw. vielleicht mit Absicht weggelassen, um die RefRat-Seite nicht zu slashdoten). Die Presseerklärung selbst datiert auf den 24.11., war also schon bei der Erwähnung auf SpOn nicht mehr ganz frisch. Heise hinkte also zumindest was diesen Link angeht etwas hinterher.

  3. bob Says:

    Also auch wenn ich kein großer Anhänger von StudiVZ Nachrichten welcher Art auch immer bin, möchte ich doch diese Gelegenheit mal nutzen, um eine Frage an die Experten loszuwerden: Ich verstehe dieses ominöse Problem mit der Datensicherheit einfach nicht. Ich meine, wenn man da Daten von sich reinschreibt, sind die doch ganz offen zugänglich? Jeder, der fähig ist, sich einen account zu machen, kann doch reingehen und sich alle Daten holen, die er will. Das können echte Studis, aber auch transnationale Konzerne, Geheimdienste, private demographische Institute *-* & Co. Bitte um Aufklärung!

  4. Unmotiviert Says:

    Also das klingt mir mal wieder nach überengagiertem, ins hysterische abdriftende Geplärr. Niemand wird dazu gezwungen Fotos von sich und anderen zu veröffentlichen und an der Tatsache, dass die irgendwo beurteilt oder bewertet werden, ist – solange dies nicht in beleidigender Form geschieht- keine Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu erkennen. Die ständige Belästigung von Frauen, wie sie hier in der Form des „Massengegruschels“ auftritt, ist in der Tat vermutlich sehr unangenehm und ein Problem, tritt aber in JEDER mir bekannten Internetcommunity auf an der auch Frauen teilnehmen. Das als Vorwurf an das Studi-Vz zu formulieren ist unfair und klammert vollkommen die Netzrealität aus. Das selbe gilt für die Behauptung, dass alle Mitglieder dieser „Misswahl“-Gruppen Stalker wäre, die meisten wollen sich wahrscheinlich tatsächlich nur Bilder hübscher, junger Frauen ansehen und hätten diese damit ein grundsätzliches Problem würden sie wohl keine von sich veröffentlichen.

    Studi-Vz sollte halt die Gruschelfunktion abschalten oder zumindest die Möglichkeit einbauen individuell zu entscheiden, ob „Gegruschel“ oder private Nachrichten erwünscht sind oder nicht. Und wer Misswahlen, Sex oder Männer abstoßend findet, sollte sich halt von Internetcommunitys fernhalten oder eben seine eigene gründen. Viel Spaß dabei.

  5. StudiVZ: Kopiert und mit den selben Problemen « Auslandssemester - dein Tagebuch Says:

    […] StudiVZ kommt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Nachdem der Betreiber des Online-Studentennetzes, Ehssan Dariani, erst vor kurzem wegen seiner “Nazi-Satire” und Spanner-Handy-Foto-Shots in die Kritik geraten war, walzt sich nun ein weiterer Skandal um StudiVZ von der Blogosphäre ausgehend bis in die Mainstreammedien. (FUwatch) […]

  6. Niklas Says:

    @bob:

    || Ich verstehe dieses ominöse Problem mit der
    || Datensicherheit einfach nicht. Ich meine,
    || wenn man da Daten von sich reinschreibt,
    || sind die doch ganz offen zugänglich? Jeder,
    || der fähig ist, sich einen account zu machen,
    || kann doch reingehen und sich alle Daten
    || holen, die er will.

    Nicht ganz, differenziert wird zwischen Daten die wirklich jeder sehen kann und solchen, die eigentlich gar keiner bzw. nur eine von dir ausgesuchte Gruppe („Freunde“) sehen soll. Und da hakt es momentan. Im Detail siehe unter anderem Schäfers (21.11., 24.11., 26.11., 27.11.) und blogbar (28.11.).

  7. Niklas Says:

    @Unmotiviert:

    || Niemand wird dazu gezwungen Fotos von sich und
    || anderen zu veröffentlichen und an der Tatsache,
    || dass die irgendwo beurteilt oder bewertet werden,
    || ist – solange dies nicht in beleidigender Form
    || geschieht- keine Verletzung von Persönlichkeits-
    || rechten zu erkennen.

    Die Tatsache, dass jemand ein Foto von sich auf eine Website herauflädt hebt doch nicht sein Recht am eigenen Bild auf. Selbst wenn du also ein Foto von dir veröffentlichst, legitimiert das nicht Dritte dazu das Foto beliebig weiterzuverbreiten oder weiterzubearbeiten.

    || Die ständige Belästigung von Frauen, wie sie hier
    || in der Form des „Massengegruschels“ auftritt, ist
    || in der Tat vermutlich sehr unangenehm und ein
    || Problem, tritt aber in JEDER mir bekannten
    || Internetcommunity auf an der auch Frauen teilnehmen.
    || Das als Vorwurf an das Studi-Vz zu formulieren ist
    || unfair und klammert vollkommen die Netzrealität aus.

    Wieso? Die „Netzrealität“ wird doch hier gerade am Fallbeispiel „StudiVZ“ kritisch diskutiert. Die Tatsache, dass das Problem nicht nur StudiVZ betrifft, bedeutet doch nicht, dass man das Problem nicht exemplarisch am Beispiel von „StudiVZ“ in den Fokus der Öffentlichkeit rücken sollte.

    Weiterhin bezieht sich der Vorwurf ja auch darauf, dass die Verantwortlichen das Problem nicht offensiv angegangen haben, sondern statdessen Teil des Problems waren, weil sie nicht einmal erkennen konnten, warum sie gegen die „Stalker“ vorgehen sollen und lieber selbst Mitglied der berüchtigten Gruppe werden wollten.

    || Das selbe gilt für die Behauptung, dass alle Mitglieder
    || dieser „Misswahl“-Gruppen Stalker wäre, die meisten
    || wollen sich wahrscheinlich tatsächlich nur Bilder
    || hübscher, junger Frauen ansehen und hätten diese
    || damit ein grundsätzliches Problem würden sie wohl
    || keine von sich veröffentlichen.

    Die Bilder wurden aber nicht nur einfach „angesehen“, sondern in einer Art „Ranking“ ohne Rücksprache mit den betroffenen Frauen zusammengefasst. Aus dem Umstand, dass jemand ein Bild von sich veröffentlicht, kann man noch nicht ableiten, dass diese Person kein Problem damit hat, wenn dieses Bild Teil eines Contests wird, der sich auf das äußerliche Erscheinungsbild reduziert.

    Auch ging es ja nicht nur um die Fotos, sondern z.B. auch um andere Daten der Frauen, wie etwa deren Wohnanschriften, die wie eine Art „Handelsware“ herumgereicht wurden.

    || Und wer Misswahlen, Sex oder Männer abstoßend findet,
    || sollte sich halt von Internetcommunitys fernhalten
    || oder eben seine eigene gründen. Viel Spaß dabei.

    Vermutlich werden sich in Zukunft tatsächlich viele Studierende von StudiVZ fernhalten, die bis dato recht unbedarft dieses Portal genutzt haben. Doch die Frauen konnten ja nicht vorher wissen, dass sie in dieser Community zu Sexualobjekten degradiert werden und unfreiwillig in „Misswahlen“ auftauchen. Gut, man kann einwenden, sie hätten es irgendwo ahnnen können (bei Betrachtung der Struktur und „Kundschaft“ von StudiVZ). Nur dieser Einwand trägt nicht, weil er auf das altbekannte „Die Frau ist doch selber Schuld dass sie vergewaltigt wurde wenn sie einen so kurzen Minirock trägt“-Argumentationsmuster hinausläuft.

    Die Tatsache, dass Sexismus im Cyber- wie im Meatspace Alltag ist, legtimiert ihn doch nicht. Der Ansatz kann eben nicht lauten „Wenn’s dir nicht paßt, geh doch woanders hin“. Viel mehr sollten die Betreiber solcher Portale mit Nachdruck gegen Sexismus vorgehen (anstatt ihn wie bei StudiVZ gesehen zu dulden und als „normal“ zu akzeptieren).

  8. aufwind Says:

    Also bitte es ist doch wirklich so. Will nicht dass meine Fotos gesehen werden veröffentliche ich sie nicht. Sexsismus was ein Wort. Es scheint hier ja so langsam schlimmer zu sein als in den USA, wo ich beim bloßen anschauen einer Frau hinter Gitter komm. Wer nicht gesehen werden will, darf sich nich in der Öffentlichkeit präsentieren, oder sich bei den Frauen aus Afganistan ein paar Tipps holen. Wär ja noch schöner.
    Das ist mal wieder so richtig typisch deutsch. Web 2.0 Trend, na klar sind wir dabei, User-generierte Inhalte, auf jeden Fall, sich selber im Netz präsentieren, aber hallo wo es gerade doch so IN ist.
    Aber meine Privatsphäre hätte ich doch dann doch noch ganz gerne dabei gehabt.
    Mit stets positiven Grüßen
    JC

  9. Niklas Says:

    || Also bitte es ist doch wirklich so. Will nicht dass meine Fotos
    || gesehen werden veröffentliche ich sie nicht.

    Noch mal:

    Die Bilder wurden aber nicht nur einfach “angesehen”, sondern in einer Art “Ranking” ohne Rücksprache mit den betroffenen Frauen zusammengefasst. Aus dem Umstand, dass jemand ein Bild von sich veröffentlicht, kann man noch nicht ableiten, dass diese Person kein Problem damit hat, wenn dieses Bild Teil eines Contests wird, der sich auf das äußerliche Erscheinungsbild reduziert.

    Auch ging es ja nicht nur um die Fotos, sondern z.B. auch um andere Daten der Frauen, wie etwa deren Wohnanschriften, die wie eine Art “Handelsware” herumgereicht wurden.

    || Das ist mal wieder so richtig typisch deutsch. Web 2.0 Trend, na
    || klar sind wir dabei, User-generierte Inhalte, auf jeden Fall, sich
    || selber im Netz präsentieren, aber hallo wo es gerade doch so IN ist.
    || Aber meine Privatsphäre hätte ich doch dann doch noch ganz
    || gerne dabei gehabt.

    Das lässt sich durchaus vereinbaren. Nur weil ich mich im Zuge eines Web 2.0 Portals im Netz mit einem Profile präsentiere, gebe ich damit doch nicht mein Recht auf Privatsphäre und Datenschutz auf.

  10. fsz will mit StudiVZ kooperieren « FUwatch Says:

    […] bahnt sich zwischen dem in letzter Zeit wegen mangelndem Datenschutz und Duldung von Sexismus stark kritisierten Studierendenportal “StudiVZ” und dem “freien zusammenschluss der […]

  11. Das teuerste Plagiat der Welt « FUwatch Says:

    […] Hochschulwesen Nachdem das virtuelle StudentInnen-Netzwerk “StudiVZ” wegen einer Skandalserie im November / Dezember von nicht wenigen Bloggern schon am Ende geglaubt war, scheinen nun jene Recht zu behalten, die […]

  12. StudiVZ « Stargazers Blog Says:

    […] gut geeignet. StudiVZ ist aber im Besonderen durch mehrere Skandale aufgefallen (siehe z.B. hier). Furchtlos habe ich meine Daten meiner Profilseite in den Rachen geworfen und hoffe weiterhin das […]

  13. Warum StudiVZ auch diesmal unbeschadet davon kommen wird « FUwatch Says:

    […] dann die Cyberstalker-Affäre und fast täglich neue Sicherheitslücken in der Software (“StudiVZ gruschelt sich immer tiefer in den Sumpf”). Auf dem Höhepunkt der Krise musste StudiVZ wegen der Sicherheitslücken sogar für einige Zeit […]

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